Halloween Jack
neu erzählt von Derry Grey
(nach Motiven der Legende „Jack o’Lantern“)
Jack löschte das Feuer, zog seine Wolljacke über und sperrte seine Werkstatt zu. Dann ging er ein Stück die Hauptstrasse entlang bis zum Pub.
Im Pub angekommen stellte er sich wie immer an die kleine Theke in der Ecke, da er es vorzog, sich mit keinem hier zu unterhalten oder sollte man besser sagen, dass es vielmehr die anderen waren, die ihm aus dem Weg gingen.
Jack war nämlich ganz und gar kein angenehmer Zeitgenosse. Ließ er doch nie eine Gelegenheit aus, über andere her zu ziehen oder Gerüchte in Umlauf zu bringen, die sich dann zwar als falsch herausstellten, aber für die Betroffenen dennoch sehr unangenehm waren. Er hat auch schon einige beim Kartenspielen um ihr Geld gebracht, vor allem Leute, die ihn zuvor nicht gekannt hatten. Darüber hinaus neigte er nicht selten dazu, im Suff seine kräftigen Fäuste sprechen zu lassen. Und glaubt mir, er war kräftig. Jack war nämlich der Schmied in einem dieser kleinen unbedeutenden Orte an der Nordwestküste Irlands.
Es war der Tag vor Allerheiligen und schon ziemlich kalt hier oben, der Wind peitschte hohe Wellen an die nahe gelegenen Klippen. Jack trank sein Bier, dazu einen Whiskey, ein weiteres Bier, einen weiteren Whiskey und so weiter und so weiter. Er machte dies jeden Abend, so lange, bis er betrunken war. Dieser Abend sollte allerdings eine unerwartete Wendung nehmen.
„Hallo Jack“, sagte eine ungewöhnlich dunkle Stimme neben ihm.
„He Fremder, ich kenn dich nicht, woher kennst du meinen Namen“.
„Oh Jack, ich kenn' dich besser, als es dir lieb ist“.
Jack fuhr auf, ballte seine Faust, aber irgend etwas hielt seine Hand zurück. Der Fremde nahm seinen Hut ab und Jack blickte in die dunkelsten Augen, in die er je gesehen hatte. Ihn, diesen Bären von einem Mann fröstelte es plötzlich.
„Du bist am Ende deines Weges angekommen, ich nehme deine Seele heute mit“.
„Verdammt, wer bist du“ fragte Jack und seine sonst so kräftige Stimme klang dabei fast etwas zitternd.
„Ich habe viele Namen, Teufel, Luzifer, Satan, such dir einen aus“.
Normalerweise hätte Jack sein Gegenüber jetzt schon zu Boden gestreckt, aber heute konnte er es nicht. Er starrte ihn an und irgendetwas in ihm glaubte diesem Mann. Er hatte sich sein Ende nur anders vorgestellt und vor allem, es noch nicht so schnell erwartet.
„Ok, das muss ich jetzt wohl zur Kenntnis nehmen“, sagte Jack ruhig, „aber lädst du mich noch auf einen allerletzten Drink ein, ich habe schon mein ganzes Geld verbraucht“.
„Na ja, das kann ich machen, aber ich als Teufel habe natürlich kein Bares eingesteckt, also werde ich mich einfach in eine Münze verwandeln und du bezahlst den Wirt damit“.
Und schon drehte sich eine Münze auf dem Tresen vor Jack zweimal um ihre Achse und blieb liegen. Der Fremde war verschwunden. Da fiel Jack ein möglicher Ausweg ein. Rasch ergriff er das Geldstück, steckte es in einen Lederbeutel, der an seinem Gürtel hing, zog seine Jacke an und verließ so schnell als möglich das Pub.
Vor dem Lokal hörte Jack die Stimme des Teufels, sie sprach oder besser schimpfte zu ihm aus dem Geldbeutel: „Du verdammter besoffener Ire, du hast mich reingelegt, was willst du?“
Was war passiert? Jack hatte immer ein kleines Kreuz in seinem Lederbeutel und das verhinderte nunmehr, dass der Teufel sich zurück verwandeln konnte.
„Was ich will?“ sagte Jack triumphierend, „ich möchte noch weitere zehn Jahre leben“.
Auch wenn ihm das ganz und gar gegen den Strich ging, stimmte der Teufel zu. Jack nahm die Münze aus dem Beutel, warf sie in die Luft und da stand der Teufel wieder vor ihm, aber zu seiner Überraschung hielt er sein Versprechen und verschwand.
Im kleinen Ort auf der grünen Insel ging alles seinen gewohnten Gang. Zehn weitere Jahre sollten vergehen und es war wieder der Tag vor Allerheiligen. Jack wollte wie immer seine Werkstatt versperren, als ihn eine Hand von hinten berührte und die ihm schon bekannte dunkle Stimme sagte: „Hallo Jack, ich hoffe, du hast unser Treffen nicht vergessen?“ Eigentlich wollte Jack über die Jahre wirklich das Unvermeidliche vergessen, aber jedes Jahr vor Allerheiligen musste er wohl oder übel daran denken und ertränkte sofort seine Gedanken in genügend Strong Ale und Whiskey.
„Dieses mal aber, mein lieber Jack, wirst du mir nicht mehr entkommen, komm wir gehen“.
„Ich habe heute den ganzen Tag gearbeitet und noch nichts getrunken, wenn es schon keine Henkersmahlzeit gibt, dann möchte ich wenigstens noch eine Flasche Whiskey mit auf den Weg nehmen.
„Nein, nein, nein, darauf falle ich nicht noch einmal herein“.
„Du brauchst dich nicht zu verwandeln, der Whiskey steht dort oben, siehst du ihn“, sagte Jack, „aber ich habe einen schlimmen Rücken, bitte steig da hinauf und gib mir die Flasche“.
Mmh, das war für den Teufel in Ordnung. Er stieg sechs Sprossen die Leiter hinauf und streckte sich, um die Flasche zu erreichen. Diesen Moment nutzte Jack, um mit seinem Messer in die fünfte Sprosse ein Kreuz zu ritzen.
„Nein, verdammt Jack, nein“, Luzifer war stinksauer, „du hast mich wieder reingelegt, lass mich runter von dieser Leiter!“
„Natürlich gerne, aber nur wenn du versprichst, mich für immer in Ruhe zu lassen“.
Mit Gebrüll und einer Geschwindigkeit, dass es die umstehenden Bäume verbog und Steine die Klippen hinunter fielen, verschwand der Teufel und kam nicht mehr zurück.
Einige Jahre später starb Jack eines natürlichen Todes und stand nun vor der Himmelspforte. Dort machte man ihm aber klar, dass er nie etwas Gutes getan hatte und man ihn deshalb nicht im Himmel aufnehmen könne und er möge sich doch auf den Weg zur Unterwelt machen.
Und so ging er viele, viele Stunden. Ein kalter Wind von Norden, dazwischen immer wieder etwas Regen, führte ihn der Weg die Klippen entlang. Das Rauschen der Wellen war alles, was jetzt noch zu hören war. Es wurde langsam dunkel um ihn und es war eisig kalt, aber nach einiger Zeit erblickte er in der Ferne einen Lichtschein. Dann kletterte Jack ein Stück die Klippen hinab und ging einen steinigen Weg entlang, der noch über dem Wasser lag. Als er näher kam, sah er ein Feuer, das in einer Höhle loderte. Es war wohl der Eingang zur Hölle.
„Kann ich den Teufel sprechen“, sagte Jack zu einem der mürrisch und bedrohlich dreinblickenden Gestalten, die den Eingang bewachten.
„Hallo Jack, hat man dich im Himmel nicht aufgenommen, aber das hätte ich mir ja denken können“, sagte der Teufel, der ihn schon hatte kommen sehen, nicht ganz ohne Schadensfreude.
„Du musst aber verstehen, hier kannst du auch nicht bleiben, da ich ja sonst mein Versprechen brechen würde. Das Versprechen, du erinnerst dich, dass ich nie deine Seele holen werde“.
„Aber es ist finster, nass und kalt hier draußen“. Jack zitterte am ganzen Körper und hielt die Decke, die man ihm im Himmel mit auf den Weg gegeben hatte, fest um seine Schultern. Außerdem hatte er einen Kürbis als Proviant erhalten. Der war aber auch schon ausgehöhlt und das Kürbisfleisch gegessen und so hing nur mehr der Rest davon an einer Schnur über seiner Schulter.
„Alles was ich dir schenken kann, ist dieses Stück glühende Kohle, sie wärmt etwas und wenn du sie in den ausgehöhlten Kürbis legst, kannst du ihn als Laterne verwenden“.
Seit dieser Zeit zieht Jack mit der Laterne als Geist umher und immer in der Nacht vor Allerheiligen soll er vielerorts auf der Welt gesehen worden sein, zumindest erzählt man sich das.